Kolleg*innen aus Bibliotheken und anderen Einrichtungen haben eine Petition gestartet. Sie regen eine Umbenennung des Bibliothekartags an, da das Berufsfeld Bibliothek, entgegen des Titels der Veranstaltung, nicht nur aus Bibliothekar*innen bestehe und der Titel auch aus Genderperspektive problematisch sei.
Der VDB, zusammen mit dem Berufsverband Information Bibliothek (BIB) einer der Veranstalter des Bibliothekartags, dankt den Initiator*innen. Wir freuen uns über das Interesse an der größten bibliothekarischen Fortbildungsveranstaltung in Europa und die Diskussion von Fragen des Berufs.
Der Bibliothekartag wurde mit dem Ziel der Professionalisierung der Berufsangehörigen begründet und findet seit dem Jahr 1900 jährlich statt – unterbrochen nur durch die beiden Weltkriege und die Corona-Pandemie. Auf dem gerade zu Ende gegangenen 109. Deutschen Bibliothekartag, der erstmals als hybride Veranstaltung stattfand, hat sich die verbändeübergreifende AG Personalgewinnung unter dem Motto „Berufsfeld.rebooting – Bibliothekar*in sein ist eine Haltung” mit Fragen der Aktualisierung und Profilierung des Berufsfeldes beschäftigt.
Link zur Petition: https://www.openpetition.de/petition/online/zeitgemaesser-name-fuer-den-bibliothekartag
Link zur Mitschrift aus der AG Personalgewinnung: http://bibliothekarisch.de/blog/2021/06/16/bibtag21-mitschrift-bibliothekarin-sein-ist-eine-haltung-berufsfeld-rebooting-iiiii/
Die Petition läuft insgesamt über drei Monate, weshalb man sich mit der Entscheidung Zeit lassen kann.
1. Die Festlegung eines neuen Namens für den Bibliothekartag ist nicht einfach, das will ich gerne zugeben. *Bibliothekar*tag geht aus den genannten Gründen aber m.E. einfach nicht mehr, es *muss* jetzt eine Alternative gefunden werden. Deshalb unterstütze ich die Petition, selbst wenn sie selbst keine Alternativbezeichnung vorschlägt.
2. Mir ist bewusst, dass es für viele wichtig ist, dass im Namen der Tagug Menschen vorkommen und nicht Einrichtungen. Diese Einschätzung teile ich nicht. Der Bibliothekskongress ist für mich (abgesehen vom Termin, vom Veranstalter und vom gleichbleibenden Ort) nichts anderes als der Bibliothekartag. Beide Tagungen sprechen mich gleichermaßen an, an beiden Veranstaltungen nehme ich in gleicher, gemischter Rolle teil (im Unterschied zu den Mitgliederversammlungen von DBV und vdb, hier sind die Rollen jeweils eindeutig).
3. In einer anderen Professionen gibt es z.B. den Deutschen Juristentag und den Verkehrsgerichtstag. Auch letzterer ist ein Treffen von Personen, nicht von Einrichtungen. Insofern: Gerne „Deutscher Bibliothekstag“ oder gleich Zusammenlegung beider Veranstaltungen unter einem Namen, der dann Bibliothekstag oder Bibliothekskongress heißen kann.
Ich unterstütze die Petition: Zum einen wird „Bibliothekartag“ als generisches Maskulinum gelesen und das ist nicht mehr akzeptabel. Zum anderen müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir in einer Branche arbeiten, an der in vielen Einrichtungen leider Standesdünkel herrscht und Personen ohne Dipl.Bibl./Bib-BA bzw. Referendariat/MALIS klar vermittelt wird, sie dürften sich keinesfalls als Bibliothekar*innen sehen. Da können die Organisator*innen Ausschlüsse noch so wenig beabsichtigen, der Name entfaltet trotzdem die entsprechende Wirkung.
Was die neue Namensgebung angeht, möchte mich Bernhard Mittermaier weitgehend anschließen. Allerdings plädiere ich für eine Formulierung ohne „deutsch“, da immer auch in nennenswertem Umfang Kolleg*innen aus Österreich, der (v.a., aber nicht nur, deutschsprachigen) Schweiz und Luxemburg teilnehmen und es das primäre Vernetzungstreffen der gesamten deutschsprachigen Community ist. Dass es sich primär um eine deutschsprachige Veranstaltung handelt, geht ja bereits aus dem deutschsprachigen Titel der Veranstaltung hervor und muss m.E. nicht extra betont werden.
Auf Twitter wurde teils auch über „Tag“ versus „Tage“ diskutiert, da der Begriff „Tag“ im Sinne von „ggf. auch mehrtägiges, oft beschlussfassendes Treffen“ von einigen wohl als antiquiert empfunden wird. An dem Punkt bin ich ehrlich gesagt total leidenschaftslos.
Liebe Konstanze Söllner, liebe Kolleginnen und Kollegen im vdb, zunächst einmal vielen Dank für das Aufgreifen der Petition an dieser Stelle.
In den letzten acht Jahren meiner Berufstätigkeit als Bibliothekar war ich damit beschäftigt, einen Innovationsbereich innerhalb einer großen deutschen WB aufzubauen. Nach vielen Stellen, die ich zu besetzen hatte, nach mehreren Fällen, in denen es mir gelungen war (und manchmal aber leider auch nicht gelungen war), unglaublich tolle Kolleg*innen im Haus zu halten, zögere ich mittlerweile keine Sekunde mehr, wenn ich gefragt werde, was denn die größte Herausforderung des Führens in Bibliotheken heute sei: Es ist das Anwerben, Halten und „Räume öffnen“ (passend zu diesen EM-Zeiten mal in Fußball-Metaphern gesprochen!) für intrinsisch motivierte, talentierte Mitarbeiter*innen. Und dabei kann ja so viel schiefgehen! Ich musste im Bibliothekswesen zum Beispiel leider mehrmals miterleben, oder davon hören, dass Mitarbeiter*innen wegen toxischer Arbeitsbeziehungen gegangen sind. Wir können uns das schlicht nicht mehr erlauben, liebe Kolleg*innen!
Wenn wir mit dieser Petition die Gelegenheit haben, uns aus freien Stücken auf ein Signal zu einigen, nämlich: uns einer heute zu beobachtenden Veränderung von Sprache gegenüber nicht abzuschotten, sondern sie bewusst mitzugehen, dann ist das eine „tief hängende Frucht“ – eine verhältnismäßig kleine Veränderung, die aber nach innen und außen durchaus signalisierte, wer wir sind, und wie wir miteinander leben und arbeiten wollen.
Eine abschließende Beobachtung möchte ich dazu noch loswerden.
Die skeptischen Leser*innenbriefe zu Stefanie Hotzes Beitrag über gender-gerechte Sprache im Bibliothekswesen (https://b-u-b.de/inklusive-sprache/) in der BuB haben mich bewegt und beschäftigt. Eines fiel mir daran schon beim ersten Überfliegen auf: Da, wo diese Frage als kontroverse Diskussion behandelt wird, scheint es sich auch um einen Generationenkampf zu handeln. Fraglos befürworten zwar viele von uns alten Häsinnen und Hasen eine geschlechtergerechte Sprache in der Branche. Sucht man jedoch nach Kolleg*innen der Generation U40, die sich *gegen* gender-gerechte Sprache empört zu Wort melden, wird es schnell sehr dünn.
Wenn eine nachrückende Generation fast unisono die Bedeutung eine Themas dermaßen betont, dann sollten wir zumindest vorsichtig damit sein, dessen Relevanz und Legitimität pauschal zu entwerten. Lasst uns lieber genau hinhören, und – nochmal Fußball-metaphorisch – diese Steilvorlagen (BuB-Vorschläge und jetzt die Petition) verwandeln.
Ich begrüße die vorgeschlagene Namensänderung ebenfalls ausdrücklich. Viele Argumente sind ja bereits genannt worden, weswegen ich als Sprachwissenschaftler nur noch die empirische Evidenz zum Thema Gender ergänzen möchte: Das „generische“ Maskulinum lässt uns an Männer denken – dazu z.B. dieser Blogbeitrag von Anatol Stefanowitsch:
Bei der Frage nach der Repräsentation anderer Berufsgruppen würde ich mir selbst zwar einen möglichst inklusiven Begriff von „Bibliothekar*in“ wünschen – aber das ist eben eine Diskussion, bei der es erst einmal auch um die Wahrnehmung und Wünsche derjenigen gehen sollte, die sich von diesem Begriff im Moment nicht mit eingeschlossen fühlen.
Und nachdem das Kommentarsystem anscheinend Dinge in spitzen Klammern filtert, hier noch der fehlende Link – vielleicht kann das von der Moderation ja zusammengeführt werden: http://www.sprachlog.de/2021/06/18/funktioniert-das-gendersternchen-und-wie/ (Moderation: Ja, zusammengeführt)
Die Debatte über eine Umbenennung des Bibliothekartags läuft im VDB ja schon seit einigen Jahren. Bislang ohne Ergebnis, weil keine Benennung gefunden wurde, die alle gewünschten Bedingungen erfüllt: eine Beziehung zu den Menschen zu stiften, die in den Bibliotheken arbeiten (weil es eine Veranstaltung der Personalverbände ist), eingängig und am besten noch innerhalb der Marke DBT.
Ich halte es nun wirklich für an der Zeit, dass sich da was tut. Dabei ist die sprachliche Inklusion ein wichtiges Thema, mich interessiert aber auch die fachliche Entwicklung, die in anderen Kommentaren auch angesprochen wird. Im Bibliothekswesen gibt es mir noch zu sehr die Illusion: Bibliothek, das ist der Ort, wo Bibliothekarinnen und Bibliothekare arbeiten. Wir wissen alle, dass das so nicht stimmt. In metallverarbeitenden Betrieben laufen ja auch nicht nur Schlosser herum, sondern es sind viele Qualifikationen und vielfältige Persönlichkeiten nötig, um komplexe Produkte und Dienste zu entwickeln. In einer dedizierten Wissenseinrichtung ist das nicht anders und das sollten wir zum einen transparent machen und zum anderen auch wirklich positiv kommunizieren. Schließlich geben wir uns viel Mühe, innovativ und zeitgemäß zu arbeiten, das müssen wir dann doch nicht mit einer Bezeichnung von 1900 wieder konterkarieren.
Insofern wäre es mir am liebsten, wenn es nicht nur darauf hinausliefe, aus dem Bibliothekartag einen Bibliothekstag zu machen, sondern auch das, wofür Bibliotheken heute stehen, in die Bezeichnung Eingang fände. Dann ist Chance hoffentlich größer, dass sich möglichst viele Menschen darin wiederfinden.