Home

Berufsbild (wissenschaftliche) Bibliothekar*in

Über den Beruf als wissenschaftliche Bibliothekarin oder wissenschaftlicher Bibliothekar herrschen immer noch viele altmodische Vorstellungen. Wer sich die tatsächlichen Arbeitsbereiche aber einmal ansieht, bemerkt sofort, dass diese Vorstellungen eher klischeehaft als realistisch sind.

Damit Sie sich ein gutes und authentisches Bild vom bibliothekarischen Beruf machen können, möchten wir Sie über die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder informieren und die für den Beruf benötigten Kompetenzen.

Tätigkeitsfelder

Selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob jemand in einer Forschungs-, Universitäts- oder Stadtbibliothek arbeitet, die Leitung einer Linienabteilung inne hat, Data Scout, Forschungsdatenbeauftragter, Fachreferent*in ist oder als Projektmanager*in eingestellt wurde.

Je nach Arbeitsbereich überwiegt einer der folgenden 8 Schwerpunkte:

  1. Bestandsaufbau und -profilierung
  2. Datenpflege- und Datenaustausch
  3. Erschließung
  4. Vermittlung
  5. Erhaltung
  6. Management
  7. Dienstleistungen für wissenschaftliche Fachkulturen
  8. Forschung
  9. Ausbildung

Bestandsaufbau und -profilierung

Wer für den Bestandsaufbau und die Bestandsprofilierung einer Bibliothek verantwortlich ist, beschäftigt sich mit der Erarbeitung und Entwicklung zielgruppenspezifischer Erwerbungsprofile. Auch die Verantwortung für Erwerbungsentscheidungen im Einzelnen fällt in diesen Zuständigkeitsbereich. Ein kontinuierlicher, hochwertiger und nachhaltigen Bestandsaufbau ist dabei das Ziel.

Automatisierte Prozesse, wie zum Beispiel Approval Plans oder Patron Driven Acquisition, oder die Beteiligung an Konsortien entlasten dabei von Routineentscheidungen. Allerdings erhöhen sie gleichzeitig den konzeptionellen Aufwand in Erwerbungsorganisation und Metadatenmanagement, da sie kontinuierlich evaluiert und aktualisiert werden müssen.

Datenpflege und Datenaustausch

Daten werden analysiert und aufbereitet. Schnittstellen und normierte Vokabulare ermöglichen eine möglichst einfach Nachnutzbarkeit von Daten. Ergebnisse und Anforderungen müssen den Wissenschaftler:innen erläutert werden. Die Data Scouts arbeiten an den Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Infrastruktureinrichtungen, sie kennen Datenformate, haben mathematische Kenntnisse und können Datenoperationen automatisieren. Sie kommunizieren sachgerecht und können komplexe Sachverhalte anschaulich darstellen.

Erschließung

Die inhaltliche Erschließung von Publikationen und anderen Objekten (z. B. von Forschungsdaten) ermöglicht nicht nur den direkten thematischen Zugriff für Bibliotheksnutzer*innen, sondern spielt auch eine wichtige Rolle bei der Vernetzung bibliothekarischer Daten mit nicht-bibliothekarischen Angeboten im Semantic Web.

Die intellektuelle Erschließung erfolgt in der Regel durch die Zuordnung von Schlagwörtern aus einem kontrollierten Vokabular und/oder durch die Einordnung in eine Klassifikation. Nötig sind dafür sowohl Kenntnisse der bibliothekarischen Regelwerke als auch ein ausreichender fachlicher Hintergrund oder eine gute wissenschaftliche Allgemeinbildung.

Auch die Pflege und Weiterentwicklung der Erschließungsinstrumente gehört zum Aufgabenspektrum wie zum Beispiel das Anlegen neuer Schlagwortnormsätze, das Überarbeiten von Klassifikationen oder die Mitarbeit bei internationaler Standardisierungsarbeit.

Eigene Erschließungsaktivitäten werden heutzutage durch Aufgaben innerhalb eines umfassender zu verstehenden Metadatenmanagements ergänzt: Dazu gehören u. a. die Entwicklung einer Gesamtstrategie für die Erschließung sowie die Definition der Methoden für verschiedene Arten von Ressourcen und unterschiedliche Erschließungstiefen. Dies schließt auch die Anwendung automatischer Methoden und die Übernahme von Metadaten aus Fremdproduktion ein.

Fragen der Qualität und Bewertung von Metadaten, ihrer Zusammenführung und Homogenisierung sowie rechtliche Aspekte beim Umgang mit Metadaten rücken verstärkt in den Mittelpunkt.

Vermittlung

Die Vermittlung von Informationskompetenz wird infolge der rasanten Veränderung wissenschaftlicher Kommunikation zu einer immer wichtigeren Tätigkeit. Gerade wissenschaftliche Bibliothekarinnen und Bibliothekare dienen hier als Informationsspezialisten auf ihrem jeweiligen Fachgebiet (mehr zum Konzept der Teaching Library und den entsprechenden Berufsbildern finden sich auf der Themenseite des dbv).

An allen Bibliotheken gehören fachspezifische und spezialisierte Schulungsangebote zu den Grundaufgaben von Bibliothekarinnen und Bibliothekare. Die Kenntnis der Informationsressourcen und Forschungsmethoden, kombiniert mit den in der bibliothekarischen Ausbildung erworbenen technischen und methodischen Kenntnissen des Information Retrieval sowie von Lehrkompetenz ist hierfür die Voraussetzung. Die Präsentation wissenschaftlicher Sammlungen – in Ausstellungen oder in virtualisierter Form – gehört ebenfalls zum Aufgabengebiet der Informationsvermittlung.

Erhaltung

Bibliotheken tragen dazu bei, das kulturelle Erbe zu bewahren. Die Verantwortung für die Bestandserhaltung von Druckwerken und historischen Sammlungen ist daher schon sehr lange Aufgabe wissenschaftlicher Bibliothekarinnen und Bibliothekare.

Elektronische Medien bringen neue Herausforderungen mit sich, da zu ihrer Erhaltung die Entwicklung landesweit koordinierter Konzepte und Infrastrukturen zur Langzeitarchivierung notwendig ist. Bibliotheken haben auf diesem Gebiet seit Jahren eine führende Rolle übernommen.

Management

Bibliotheken erbringen nicht nur Dienstleistungen für ihre primären Zielgruppen, sie nehmen auch laufend Innovationen des Informationssektors auf. Diese entwickeln sie weiter und sind damit dann selbst Impulsgeber für Entwicklungen innerhalb der Informationswirtschaft und deren Infrastruktureinrichtungen.

Typische Managementaufgaben von Bibliothekarinnen und Bibliothekare in allen Bibliothekstypen sind etwa Finanzplanung, Etatverwaltung und -bewirtschaftung, Organisation von Abteilungs- oder Benutzungsstrukturen, Personalverwaltung und -führung oder Bauplanung und -verantwortung, das Entwickeln von Innovationen sowie die Durchführung nationaler und internationaler Projekte in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen oder die infrastrukturelle Kooperation auf Verbundebene, innerhalb von Konsortien oder anderen Koordinierungseinrichtungen.

Für alle diese Tätigkeiten sind sehr gute Kenntnisse der nationalen, aber auch der internationalen (EU-Förderung) Wissenschafts- und Bibliothekslandschaft sowie neuer Entwicklungen im Bibliothekswesen, aber auch Verwaltungskenntnisse Voraussetzungen, die in der postgradualen Ausbildung vermittelt werden.

Dienstleistungen für wissenschaftliche Fachkulturen

Bibliotheken werden nicht nur durch die eigene Institutionengeschichte, sondern vor allem durch die Ansprüche ihrer Systemumwelten geprägt. Fachkulturen spielen hierbei eine prägende Rolle. Die Zielgruppenorientierung erfordert eine kontinuierliche Kommunikation zwischen Bibliothek und Nutzerkreis, um Dienstleistungen mit den Bedürfnissen von Nutzergruppen abzustimmen und neue Dienstleistungsangebote zu entwickeln und einzuführen.

Da das wissenschaftliche Publizieren in der Transformation zum Open Access steht, verändern sich klassische Aufgaben in den Bereichen Erwerbung, Etatverteilung und Wissensvermittlung grundlegend. Diese Veränderungsprozesse müssen so gestaltet werden, dass die jeweiligen Publikationskulturen der Fächer angemessen Berücksichtigung finden und gleichzeitig die Mittel optimal verausgabt werden.

Die Orientierung von Bibliotheken an ihren Zielgruppen erfordert es, bibliothekarische Services und deren praktische Ablaufplanung passgenau zu entwickeln, zugleich aber eine Balance zwischen Spezifizierung und notwendiger Standardisierung zu finden.

So generiert beispielsweise die voranschreitende Digitalisierung im Informationssektor neue Aufgaben: Open Access, Forschungsdatenmanagement oder Publikationsmanagement sind Tätigkeitsfelder, die Bibliothekarinnen und Bibliothekare zunehmend aktiv mitgestalten, um den Zielgruppen eine fachkulturspezifische Informationsinfrastruktur anbieten zu können. An dieser Stelle entstehen neue Verbindungen von Bibliotheks- und Informationswissenschaft.

Forschung

Bibliotheken mit ihren Dienstleistungen sind Teil der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. Sie spiegeln die lokale Wissenschaftsgeschichte ihrer Trägerinstitutionen ebenso wider wie die regionale, nationale, aber auch internationale Wissenschaftsgeschichte. Daher sind Bibliotheken und ihre Sammlungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Forschung.

Als Teil wissenschaftlicher Infrastruktur befördern und unterstützen sie zugleich diese Forschungen. Vor allem in Spezial- und Forschungsbibliotheken gehört Forschungsarbeit zum Tätigkeitsprofil. In Forschungs- und Entwicklungsabteilungen großer Bibliotheken treiben wissenschaftliche Bibliothekarinnen und Bibliothekare Bibliotheksinnovation voran. Themen der Informationsversorgung und Informationsinfrastruktur sind Gegenstand bibliotheks- und informationswissenschaftlicher Forschung.

Ausbildung

Bibliotheken sind Orte der praktischen Ausbildung, deren Ausbildungsschwerpunkte nicht durch lokale Bedürfnisse, sondern durch überinstitutionelle berufliche Anforderungen geprägt sind. Dieses Tätigkeitsfeld umfasst das Management der Ausbildung ebenso wie die praktische und theoretische Kompetenzbildung von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren. Inhalte und Qualität der Ausbildung bestimmen die Weiterentwicklung des Berufsfelds und prägen das berufliche Ethos.

Kompetenzen

Persönliche und fachliche Kompetenzen, die während einer Ausbildung entwickelt werden, sind von großer Bedeutung für die spätere berufliche Tätigkeit.

Bibliotheken haben eine heterogene Nutzerschaft und sind Schnittstelle zu vielfältigen internen wie externen Partnern aus Politik, Wissenschaft, Hochschulverwaltungen und Hochschulrechenzentren sowie anderen Kulturbetrieben und -institutionen.

Wer eine solche Vermittlerrolle einnehmen möchte, muss auch administrative Fähigkeiten besitzen und aufgrund des schnellen Wandels der Informationslandschaft bereits sein zu nicht-formalem und informellen Lernen.

Im Folgenden möchten wir einen kurzen Überblick über die fachlichen und persönlichen Kompetenzen für das Berufsfeld Bibliothekar*in geben.

Fachliche Kompetenzen

  • Wissen
    • Erfolgreich absolviertes wissenschaftliches Fachstudium (Master-Ebene)
    • Erfolgreich absolvierte postgraduale Ausbildung im Bibliotheks- und Informationsbereich
  • Fertigkeiten
    • Erfahrungsbasierte Kenntnisse der Arbeits- und Denkweisen der Scientific Community zur Lösung auch strategischer Probleme
    • Kenntnisse des fachspezifischen Informationsbedarfs und -verhaltens sowie der fachspezifischen Publikationsgewohnheiten und des Publikationswesens
    • Fähigkeit, den Bedarf akademischer Fachkulturen sinnvoll zu interpretieren sowie die Umsetzung von Maßnahmen, die dieses Umfeld optimal unterstützen, aktiv zu planen, zu steuern und zu kontrollieren
    • Lehrkompetenz, didaktische Kompetenz
    • Verwaltungskenntnisse
    • Vertiefte Kenntnisse in Informationstechnologie

Persönliche Kompetenzen

  • Sozialkompetenz
    • Bereichsspezifische und -übergreifende Kommunikationsfähigkeit
    • Team- und Führungsfähigkeit
    • Organisationsfähigkeit
    • Verhandlungsgeschick
    • Dienstleistungs- und ressourcenorientiertes Denken
    • Kompetenz in fremdsprachlicher Kommunikation
    • Interkulturelle Kompetenz
  • Selbstständigkeit
    • Fähigkeit zum selbstständigen Transfer wissenschaftlicher Fach- und Methodenkompetenz in die Entwicklung zielgruppenspezifischer Dienstleistungen
    • Fähigkeit, sich in neue, anspruchsvolle Aufgabengebiete schnell einzuarbeiten, Ziele zu definieren und Projekte bereichs- und einrichtungsübergreifend durchzuführen