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Konkurrenz für den Impact Factor. Alternativen der Wirkungsmessung wissenschaftlicher Publikationen

Am Sonntag lud die E-metrics Special Interest Group der IFLA zu einer Sitzung ein, die einen Überblick über den aktuellen Stand des COUNTER Usage Factor-Projekts geben sollte. Letztlich ging es in der Sitzung aber um deutlich mehr als nur ein einzelnes Projekt, nämlich ganz grundsätzlich um die Frage, wie zeitgemäß die herkömmlichen Publikationsgewohnheiten und die ihnen entsprechenden bibliometrischen Verfahren noch sind.

Peter Shepherd, Direktor von COUNTER, stellte die Projekte PIRUS (Publisher and Institutional Repository Usage Statistics) und COUNTER Usage Factor vor. Bei beiden Projekten geht es darum, COUNTER-kompatible Nutzungsstatistiken auf Artikelebene zu erheben. Neu an PIRUS ist auch, dass mit dem Projekt EIN Standard für die Nutzungsdaten von Verlagspublikationen und Publikationen in Repositorien geschaffen werden soll. Zur Erinnerung, bisher werden COUNTER-Statistiken nur auf Zeitschriftenebene und nur für Verlagspublikationen erhoben. Mit PIRUS werden wir also bald die Nutzung kostenpflichtiger und freier Publikationen vergleichen können. Ein weiteres Novum von PIRUS ist, dass der Standard nicht nur auf Zeitschriftenartikel, sondern auch auf andere Publikationsarten und typische Inhalte von Repositorien wie beispielsweise Dissertationen anwendbar sein wird.

Auch der COUNTER Usage Factor steht im Zeichen der Entwicklung weg von einem monolithischen, durch Zeitschriften geprägten Publikationssystem hin zu einem heterogenen System verschiedener Publikationstypen. Zunächst wird er zwar für die Anwendung auf Zeitschriftenartikel getestet, soll dann aber auch für andere Publikationstypen weiterentwickelt werden. Die Idee hinter dem COUNTER Usage Factor ist, dass die bisherige Autorität in Sachen Wirkungsmessung, der Impact Factor, nur einen Teil der Wirkung wissenschaftlicher Publikationen erfasst: Er misst nur die Wirkung von Zeitschriften, und auch nur von bestimmten, nämlich in der Regel die Publikationen großer Verlage. Er bildet nicht alle Wissenschaftsfächer ab und er definiert Wirkung allein als die Zahl der erhaltenen Zitate, lässt also andere Wirkungsformen wie Downloads, Tweeds usw. außer Acht. Mit dem COUNTER Usage Factor wird der Impact Factor um eine neue Perspektive auf die Wirkung von Publikationen ergänzt, denn Wirkung wird hier als die Zahl der getätigten Downloads definiert. Vielversprechend ist, dass der COUNTER-Standard bereits jetzt um die 15.000 Zeitschriften abdeckt, was in etwa doppelt so viel ist wie die Zahl der Zeitschriften mit Impact Factor.

In beiden Projekten geht es demnächst weiter mit der Veröffentlichung des jeweiligen Code of Practice und einer Einladung an die Verlage, die Standards zu implementieren. Mehr zu PIRUS und zum COUNTER Usage Factor finden Sie unter http://www.projectcounter.org/pirus.html bzw. http://www.projectcounter.org/usage_factor.html.

Jason Priem, Doktorand an der University of North Carolina Chapel Hill, ging noch ein paar Schritte weiter und fragte, wie Bibliometrie überhaupt in „a new era of web-native scholarship“ funktionieren könne. Die Annahmen, dass die Wirkung von Publikationen mehr beinhalte als nur Zitate, und dass die Unterscheidung zwischen Grauer Literatur und Verlagspublikationen für den „web-native“ Wissenschaftler keinen Sinn mehr mache, nimmt Priem wörtlich und gründete die Online-Plattform ImpactStory, http://impactstory.org/. ImpactStory ist ein Non-Profit-Angebot, das es Wissenschaftlern ermöglicht, die Wirkungsmessung ihrer Publikationen, Zeitschriftenartikel ebenso wie Forschungsdaten, Software usw., selbst durchzuführen. Das Ganze funktioniert, indem die Nutzung der Publikationen in verschiedenen Kontexten nachvollzogen wird, eben nicht nur Zitate, sondern genauso Bookmarks, Tweets, Downloads, Empfehlungen in Faculty of 1000 usw.

Wie die IFLA-Präsidentin Ingrid Parent in ihrer Eröffnungsrede zum Kongress sagte: Sicherlich könne jede Generation für sich beanspruchen, in einer besonderen Zeit zu leben, aber sie könne sich insgesamt keine spannendere Zeit für uns BibliothekarInnen vorstellen als die jetzige. Eine Sichtweise, die sich vielleicht auch für das Thema Bibliometrie anbietet.