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o-bib: Call for papers für Themenschwerpunkt „Literatur und Daten in Gefahr – die Sicherung des freien Zugangs zu Informationen in Zeiten politischer Einflussnahme“

Im Mai 2025 fragte die australische Wissenschaftsautorin und Spezialistin für evidenzbasierte Medizin Hilda Bastian mit Blick auf die Entwicklungen bei der US-amerikanischen National Library of Medicine (NLM) in ihrem PLOS-Blog: „Könnte PubMed häufiger und für längere Zeit ausfallen? Könnte es sein, dass die Dienste nicht mehr kostenlos sind? Wie könnten die Qualität und Zuverlässigkeit der Dienste außerdem beeinträchtigt werden? Könnte eine Flut von minderwertiger Wissenschaft (Junk Science) einströmen, falls (wenn?) die NLM kein zuverlässiger Gatekeeper mehr ist?“1 An dieser Stelle will die Deutsche Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) in die Bresche springen und „eine offene, zuverlässige und nachhaltige Alternative zur PubMed-Datenbank“ entwickeln.2

In den vergangenen Monaten wurden die Websites von US-Behörden einem großräumigen „Purging“ von nicht mehr opportunen Themen unterzogen, was zu dramatischen Verlusten von Informationen geführt hat. Teilweise haben sich Freiwillige engagiert, um den Komplettverlust zu verhindern, z. B. durch die Erstellung einer Archivkopie der Website der U.S. Centers for Disease Control and Prevention (CDC).3

Einflussnahme aus verschiedenen politischen Richtungen auf die Arbeit von Bibliotheken und die Ausgestaltung ihrer Dienstleistungen gab es schon in der Vergangenheit – sei es durch finanzielle, strukturelle oder auch direkte politische Vorgaben.4 Die aktuellen Entwicklungen in den USA wecken jedoch in zunehmendem Maße Befürchtungen, dass für die Forschung relevante Infrastrukturen und Daten aufgrund politischer Einflussnahmen und Einschränkungen künftig nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen zugänglich sein werden. Dass diktatorische Regimes Säuberungen bei Daten und Literatur vornehmen, ist nicht überraschend und immer wieder zu beobachten, z. B. bei der Entfernung von politisch unerwünschter Literatur aus Hongkonger Bibliotheken in der Folge der Machtübernahme durch China. Dass aber auch demokratisch an die Macht gekommene Regierungen anfällig sind gegenüber ideologischem oder zunehmend radikalem Gedankengut, ist ein Schock für die freie Gesellschaft und Wissenschaft. Dabei ist schon seit einiger Zeit zu beobachten, wie die freie Wissenschaft – Garant für gesichertes, faktenbasiertes Wissen – weltweit vielerorts zur Zielscheibe von Agitation geworden ist und ihre Vertreter*innen diffamiert werden. Es wirkt sich auch auf Bibliotheken aus, wenn der Staat oder andere politische Akteure – egal aus welcher Richtung – versuchen, den Zugang zu bestimmten Publikationen oder Daten zu verhindern oder einzuschränken. Auch in Deutschland geraten Bibliotheksbestände zunehmend in den Fokus politischer Agitation, etwa, wenn die AfD unter anderem über parlamentarische Anfragen mit Verweis auf fragwürdige Quellen unterstellt, dass die Literatur in Bibliotheken nicht ausgewogen und zu linkslastig sei bzw. Bibliotheken Zensur ausübten.5

Die in einem Themenschwerpunkt von o-bib zusammengeführten Beiträge sollen sich angesichts dieser Entwicklungen der Frage widmen, wie Bibliotheken den offenen Zugang zu ihren Beständen sicherstellen können. Gegenstand von Beiträgen kann auch das Ziel sein, zur dauerhaften Zugänglichkeit anderer Sammlungen von Daten und Informationen beizutragen, die durch politische Unterdrückungsmaßnahmen gefährdet sind. Ebenso kann der richtige Umgang mit Agitation, Ideologie und Versuchen politischer Einflussnahme auf das eigene Haus oder andere Einrichtungen thematisiert werden. Und nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie die Infrastruktur, welche die Forschung unterstützen sowie Wissen und Daten sichern soll, insgesamt auf politischer, wissenschaftlicher und organisatorischer Ebene – mit Orwell gesprochen – besser gegen „Wahrheitsministerien“ oder gegen Manipulationsversuche und Eingriffe von politischen Akteuren (gleich welcher Couleur) geschützt werden kann.

Für einschlägige Beiträge sind unterschiedliche Formate denkbar. Neben Fachaufsätzen können beispielsweise auch Meinungsbeiträge oder Interviews eingereicht werden. Je nach Charakter werden die Beiträge einer der üblichen Rubriken zugeordnet, insbesondere den Rubriken „Themenschwerpunkt“ (für Fachaufsätze), „Praxisberichte“ und „Ansichten – Einsichten – Diskussion“.

Die Einreichung von Manuskripten ist bis Ende November 2025 erwünscht. Die Publikation des Themenschwerpunktes ist für das Heft 2/2026 geplant. Wie alle Beiträge in o-bib unterliegen die Einreichungen für den Themenschwerpunkt den unter https://www.o-bib.de/bib/information/authors formulierten Kriterien und Regelungen für eine Veröffentlichung.

Für eventuelle Rückfragen stehen die geschäftsführenden Herausgebenden von o-bib, Heidrun Wiesenmüller (wiesenmueller@hdm-stuttgart.de) und Achim Oßwald (achim.osswald@th-koeln.de), gerne zur Verfügung.



  1. Germany’s plan for an open and independent PubMed safety net, 14.05.2025, Original: https://absolutelymaybe.plos.org/2025/05/14/germanys-plan-for-an-open-and-independent-pubmed-safety-net/, deutsche Fassung: https://blog.zbmed.de/deutschlands-plan-offenes-unabhaengiges-pubmed-sicherheitsnetz, Stand: 01.09.2025.
    ↩︎
  2. Open life science publication database, https://www.zbmed.de/forschen/laufende-projekte/olspub
    ↩︎
  3. Restored CDC, https://restoredcdc.org/www.cdc.gov/ ↩︎
  4. Vgl. z. B. Ovenden, Richard: Bedrohte Bücher. Eine Geschichte der Zerstörung und Bewahrung des Wissens, Berlin 2021. ↩︎
  5.  Wie Bibliotheken beim „Kampf gegen Rechts“ die Zensur fördern, 27.10.2024, https://jungefreiheit.de/kultur/medien/2024/wie-verlage-gegen-rechts-die-zensur-foerdern/, Stand: 01.09.2025. ↩︎